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Notizen zur Fotografie ...

Das Verschwinden der Kontaktbögen

Es gibt eine Reihe von kurzen Filmen über Fotografen, in denen nicht nur das einzelne Bild, sondern der ganze “Kontaktbogen” gezeigt wird. Man sieht dann auch die Bilder, die direkt vor oder nach *dem* Foto aufgenommen wurden. Und man sieht oft die von eigener Hand angebrachten Auswahlmarkierungen des Fotografen.
Hier ein Beispiel mit Bildern von Cartier-Bresson

Mir wurde dadurch wieder ein erst auf den zweiten oder dritten Blick auffälliger Nachteil der Digitalfotografie klar: “Es wird in Zukunft keine Kontaktbögen mehr geben!”, Lightroom "Kontakte" sind da kein Ersatz, denn sie sind ja meist schon vom "Schrott" befreit.

Die Reihung der Bilder im Kontaktbogen gibt Einblick in die Vorgehensweise des Fotografen. Das wurde ganz wundervoll gezeigt bei einer Ausstellung über den Fotografen Gary Winogrand, die vor etlichen Jahren u.a. im Essener Museum Folkwang gezeigt wurde. Dort hingen übergroße Kontaktbögen (in der Erinnerung, die ja bekanntlich mit güldenem Pinsel malt, wohl bis zu 2mx3m groß).
Man konnte darauf sehr schön den Entstehungsprozess der Bilder sehen, man sah, wie Winogrand sich an das Bild herangearbeitet hat, wie er interessanten Menschen folgte und Straßenecken, Cafés und andere Orte von vielen Seiten betrachtete um dann irgendwann im Aufnahmeprozess das eine Bild zu machen. Manchmal war es das letzte Bild einer Reihe, manchmal eins vom Ende oder auch aus der Mitte einer Reihe.

Da auf dem Kontaktbogen alle Bilder der Situation waren, konnte man darauf nicht nur das eine sondern auch alle anderen Aufnahmen sehen.
Im Gegensatz zu einem Lightroom Screenshot sind auf einem Kontaktbogen eben nur 36 Bilder, dafür aber alle 36. Also alle Bilder die der Fotograf in einer bestimmten Situation auf diesem Film gemacht hat, denn das Löschen der Bilder der Kategorie “Egal” auf einem Kontaktbogen ist relativ aufwendig und wird deshalb in aller Regel nicht gemacht .

Bei digitalen Bildern sieht das ganz anders aus, hier würden wohl meist nur die besten Bilder das Auswahlverfahren überleben. Die Dokumentation des Entstehungsprozesses der Aufnahmen wäre durch die gelöschten Zwischenschritte unterbrochen und später nur schlecht oder gar nicht nachvollziehbar.

Ein anderer Vorteil der Kontaktbögen geht leider ebenfalls verloren.
Ein “Sternchen” oder eine Farbmarkierung eines Bildes am Monitor ist nicht zu vergleichen mit dem energischen oder zögerlichen Einrahmen des gewünschten Bildes durch den Fotografen. Selbst die Art der Kennzeichnung der Kontaktbögen (Nummerierung, Jahreszahlen etc.) kann spannende Aufschlüsse liefern. Hier gibt das analoge Ergebnis einfach mehr direkt sichtbare Auskunft über den Entscheidungsprozess des Fotografen und sein Gefühl, ja seine Persönlichkeit.


Um das hier deutlich klarzustellen, dass soll beileibe keine Plädoyer gegen Digitalfotografie sein, es ist nur ein Punkt, der mir heute noch einmal so richtig bewusst geworden ist. Ich würde nicht zur analogen Fotografie zurück wollen (von einigen Ausnahmen abgesehen) aber manche “Kollateral-Schäden” der Digitalfotografie können einen schon traurig stimmen.

Es gibt einen üppigen Bildband (leider nur nur noch als englischsprachige Version in der Taschenbuchausgabe erhältlich) mit Kontaktbögen von Magnum-Fotografen.
"Magnum Contact Sheets(*)".
Ich habe zum Glück das Hardcover (heute gebraucht "unbezahlbar" ), eine wahre Fundgrube.
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Zu den anderen Notizen

Was die anderen dazu meinen:


Ulrich Lemcke:

Toller Beitrag! Ich kann das alles gut nachempfinden.
Zum Fazit möchte ich noch anmerken, dass man meiner Meinung nach analog bewusster fotografiert hat. Erstens hat jede Aufnahme Geld gekostet und zweitens war nach 36 Aufnahmen erstmal Schluss :-)
Allerdigs trauere auch ich dieser Zeit keineswegs nach.
Schöne Grüße aus dem hohen Norden
Ulrich Lemcke

( 02.04.15 19:55)

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